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In Uganda gibt es keine Uhrzeit

Die gebürtige Grazerin Sonja Fragner, die sehr erfolgreich als Consultant tätig ist, lebt derzeit mit ihrer Familie in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Winston Churchill nannte Uganda einst die „Perle Afrikas“. Aufgrund der großen Landschaftsvielfalt gilt dieser Ausdruck noch heute: Uganda ist geprägt von Urwäldern, Savannen, Seen wie dem Victoriasee und den schneebedeckten Gipfeln der Rwenzori-Berge. Zehn Nationalparks und sechs Wildreservate zeugen von der Naturschönheit dieses Landes. In den letzten Jahren konnten in Uganda einige Errungenschaften erzielt werden: hohes Wirtschaftswachstum, eine Reduzierung der Armut, Zugang zur Grundschulausbildung, zu sauberem Wasser und zu Rechtsberatung.

 

Ein Blick über die Hügel von Kampala bis hin zum Victoriasee. © KK

Ein Blick über die Hügel von Kampala bis hin zum Victoriasee. © KK

 

Wollten Sie schon immer in die große weite Welt? Warum fiel Ihre Wahl auf Kampala?

Sonja Fragner: Während meines Studiums hatte ich eigentlich keine Pläne, meine Zeit außerhalb von Österreich zu verbringen. Ausschlaggebend war mein Global Executive MBA an der WU Wien, den ich in China, Indien, USA und Russland absolviert habe. Seitdem hatte ich den Wunsch, längere Zeit im Ausland zu verbringen.

Mein Ehemann ist Däne und er war zuvor beruflich viel in Afrika und Mittelamerika tätig. Auch er hatte den Wunsch, international zu arbeiten. Als das berufliche Angebot kam, haben wir beide nicht lange überlegt. Ehrlich gesagt hatte ich jedoch danach einige schlaflose Nächte, als er den Zuschlag erhielt, da ich zwar immer viel gereist bin, aber nie zuvor in Afrika gewesen war.

Ich hatte ja keine Idee, wie es in Uganda sein würde. Aus diesem Grund hatte ich auch keinerlei Erwartungen und wurde umso positiver überrascht.

 

Was beeindruckte Sie am meisten, als Sie das erste Mal nach Uganda kamen?

Fragner: Die Willkommenskultur, Umgangsformen und Freundlichkeit der Menschen, die trotz für uns oft unvorstellbar großer Armut überaus zufrieden und demütig sind. Auch wenn die politische Situation derzeit eine herausfordernde ist, bleiben die Leute gelassen und blicken positiv in die Zukunft. Ich denke, davon können wir sehr viel lernen. Wir waren überrascht, wie respektvoll miteinander gesprochen wird, man wird grundsätzlich nicht laut, schimpft nicht.

Wenn man sich in die Situation vieler Menschen hier hineinversetzt, kann man so gar nicht verstehen, warum in Österreich so viel kritisiert und gejammert wird, da es uns in Österreich in jeder Hinsicht gut geht.

Auch wenn wir als Mzungus (Bezeichnung für „Weiße“ hier) für die Bevölkerung sichtbar Ausländer sind, werden wir überall freundlich und respektvoll behandelt. Auch davon kann man lernen.

Was noch beeindruckt ist die Tatsache, dass es hier keinen Stress gibt. Der Spruch „In Uganda gibt es keine Uhrzeit.“  wird hier gelebt.

 

Man sieht meistens nur Einheimische, die zu Fuß auf den Straßen unterwegs sind. Aber Sonja Fragner und ihre Familie genießen es, ab und an die Nachbarschaft auf diese Art zu erkunden. © KK

Man sieht meistens nur Einheimische, die zu Fuß auf den Straßen unterwegs sind. Aber Sonja Fragner und ihre Familie genießen es, ab und an die Nachbarschaft auf diese Art zu erkunden. © KK

 

Uganda ist eine sehr junge Nation, wo eine Frau durchschnittlich 6 Kinder bekommt. D.h. man trifft überall auf der Straße Kinder und Sonja Fragners Tochter Spielgefährten. © KK

Uganda ist eine sehr junge Nation, wo eine Frau durchschnittlich 6 Kinder bekommt. D.h. man trifft überall auf der Straße Kinder und Sonja Fragners Tochter Spielgefährten. © KK

 

Ugandas Hauptstadt Kampala, die auf sieben Hügeln liegt und deren Name „Hügel der Antilopen“ bedeutet, wird vielfach als eine bunte, schnell gewachsene Großstadt beschrieben. Wie erleben Sie mit Ihrer Familie diese Stadt im Alltag?

Fragner: Kampala ist definitiv eine lebhaft junge Stadt. Das Straßenbild ist von Kindern und jungen Menschen geprägt, die sehr offen und interessiert an einem sind. Man wird bei jeder Gelegenheit gegrüßt oder angesprochen. Man fühlt sich hier nie alleine.  Da in Kampala sehr viele internationale Projekte und NGOs ihren Stützpunkt haben, sind hier viele Expats und man findet schnell internationalen Anschluss und Austausch.

Die Hauptstraßen sind stark befahren, wobei Matatus (Minibusse), Geländewagen, aber vor allem Boda Bodas (Motorradtaxis) das Straßenbild beherrschen. Der Verkehr fließt auf Grund der unzählbaren Schlaglöcher zäh. Das heißt, Erledigungen müssen gut geplant werden, da eine Route, die Donnerstagmittag 15 Minuten in Anspruch nahm, Freitagnachmittag ganz leicht 2 Stunden dauern kann.  Man gewöhnt sich daran und findet schnell heraus, wo man wann besser nicht hinfahren sollte.

 

Eine typische Verkehrssituation auf Kampalas Straßen. © KK

Eine typische Verkehrssituation auf Kampalas Straßen. © KK

 

Insgesamt dauert hier alles etwas länger. Geduld und Ausdauer sind erforderlich. Wenn man Dinge rasch erledigen möchte, sollte man statt „now“ besser das hier gebräuchliche „now-now“ verwenden, um die Dringlichkeit zu unterstreichen.  Ansonsten läuft man Gefahr, dass wochenlang nichts passiert. Wir haben aber bemerkt, dass es ab und an auch recht angenehm ist, sich in Geduld zu üben, mehr zu genießen und den typisch europäischen Stress hinter sich zu lassen.

Kampala ist insgesamt eine sehr grüne Stadt, hat aber leider wenige öffentliche Parkflächen oder Erholungsräume. Daher trifft man Freunde meist zu Hause, da die meisten Privathäuser westlichen Standards über üppig grüne Gärten verfügen. Dies ist auch dem Klima geschuldet, das einem das ganze Jahr hindurch in eine angenehm sommerliche Stimmung versetzt.

 

Welche kulinarischen Besonderheiten gibt es in Uganda?

Fragner: Die typisch ugandische Küche besteht aus recht einfachen Zutaten wie Bohnen, Reis, Hirse, Poscho (unserem Polenta ähnlich), G-nut Paste (geröstete Erdnusspaste), sim-sim (Sesamsauce), Matoke (Kochbananen), dazu herrliches Chapatibrot (Fladenbrot). Uganda ist ein klimatisch bevorzugtes Land und dadurch ist es ein Genuss, die Obst- und Gemüsevielfalt hier zu entdecken. Wir haben immer frische Mangos, Ananas, Papayas und Passionsfrüchte im Haus, die hier authentisch schmecken.

 

Wie würden Sie sich selbst mit drei Sätzen beschreiben?

Fragner: Ich habe immer ein Projekt, an dem ich arbeite und kenne keine Langeweile. Ich bin ehrgeizig und spontan, habe hohe Erwartungen an mich selbst. Ich lebe gesundheitsbewusst, bin abenteuerlustig, schätze kreative Tätigkeiten und genieße vor allem einen abwechslungsreichen Alltag.

 

Was vermissen Sie am meisten an Österreich?

Fragner: Ich pendle mit meiner Tochter oft zwischen Österreich, Dänemark und Uganda und genieße die Vorzüge aller Kulturen.

Was ich am meisten an Österreich vermisse ist die Natur und der Umgang mit dieser. In Kampala wird zumeist mit Kohle gekocht und Unrat wird oft (illegal) verbrannt. Bei dem enormen Verkehrsaufkommen findet man sich oft inmitten von Abgaswolken wieder.

Der Umgang mit der Natur ist oft, und meist durch Unwissenheit, recht respektlos. Hier wird z.B. nicht Unkraut gejätet, sondern einfach Pflanzenvernichtungsmittel gesprüht. Unsere Mitarbeiter hier mussten erst lernen, dass man nicht alles einfach mit Chemikalien abtöten soll.

Auch der Zugang zur Natur ist hier ein anderer. In Graz ist man von jedem Winkel der Stadt nach maximal 20 Minuten im Grünen. Das fehlt hier.

Da schätze ich sehr, was sich in den vergangenen Jahrzehnten in Österreich getan hat und wie natur- und umweltbewusst man in Österreich leben kann.

 

Der Nationalpark Lake Mburo ist das Kampala am nächsten gelegene Wildtierparadies. © KK

Der Nationalpark Lake Mburo ist das Kampala am nächsten gelegene Wildtierparadies. © KK

 

Ein Blick über Kampala bei Nacht. © KK

Ein Blick über Kampala bei Nacht. © KK

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Fragner: Ich wünsche mir Gesundheit für meine gesamte Familie und dass wir gemeinsam noch viele Länder und Kulturen entdecken können.

 

 

Kurzbiographie:

Geboren und aufgewachsen in Graz absolvierte Sonja Fragner das Studium der Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz und den Global Executive MBA an der WU Wien. Sie war in der Immobilienprojektentwicklung in Österreich und Osteuropa tätig. Danach wurde sie Head of Austria für ein deutsches und anschließend für ein dänisches Immobilienmanagementunternehmen. Sonja Fragner arbeitet nun als Consultant und lebt mit ihrer Familie in Uganda, wo ihr Mann als Ausgesandter des dänischen Außenministeriums im Rahmen eines EU-Projektes die Position eines CFOs erfüllt.

Andrea Harrich