Grazoutside

Portrait: Gerald Ganglbauer

„Im Ausland hat man so etwas wie eine österreichische Seele“. Den (Vernetzungs-)Künstler Gerald Ganglbauer hat es in den 80ern durch die ganze Welt getrieben, nach Australien verschlagen und wieder zurück in die Steiermark. Andritz, die Literatur und Sydney sind seine Heimat.

Gerald Ganglbauer ist ein Weltenbummler wie er im Buche steht: 1958 in Graz geboren, verschlug es ihn in den 1970ern als Jugendlichen durch ganz Europa, als Erwachsenen um die ganze Welt: „Die erste Reise ist den Spuren von Jules Verne gefolgt: In 80 Tagen um die Welt, in zwölf Flügen mit der Pan Am. Danach hat mich nichts mehr von meinem Reisefieber geheilt.“ 1989 landete er schließlich in Sydney, Australien, wo er bis letztes Jahr gelebt hat.

„Graz war gut zum Aufwachsen und Studieren; ich habe ja immerhin 28 Jahre dort gelebt, habe aber damals schon gescherzt, dass ich es nur deshalb aushalte, weil ich jede freie Minute im Ausland bin“, sagt Ganglbauer.

Gerald Ganglbauer als 18-jähriger unterwegs mit der Vespa und damaliger Freundin

Gerald Ganglbauer als 18-jähriger unterwegs mit der Vespa und damaliger Freundin

Aus diesen Erfahrungen entstand das erste Netzwerk von Auslandsösterreichern, das austrians.org Forum, eine Plattform, die weiterhin wächst: „Wenn man im Ausland lebt, hat man so etwas wie eine österreichische Seele. Und die bleibt einem erhalten, ob man jetzt 20 Jahre in Australien, in den USA oder auch in einem Dritte-Welt-Land lebt. Man hat sie von Geburt an und trägt sie mit sich herum und vergisst sie vielleicht zum Teil, sie wird ein bisschen überdeckt von anderen Eindrücken. Aber irgendwann, früher oder später, bricht sie wieder hervor. Man macht sich wieder Gedanken über die Wurzeln, man versucht, sich zu positionieren oder immer wieder neu zu positionieren. Und da ist mir die Community, weil sich so etwas im Internet recht leicht bauen oder zusammenbauen lässt, zu Hilfe gekommen“, schildert Ganglbauer.

„Ich habe ein bisschen Zeit gehabt und habe mich einfach an den Computer gesetzt, habe Österreicher gesucht, die im Ausland leben, habe etwa 1000 gefunden, sie alle eingeladen, zusammengebracht, an einen Tisch gesetzt. Der wächst und wächst.“

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Weihnacht in Andritz: der kleine “Guggi” am Schoß der Mutti

Weiterhin melden sich Menschen, stellen sich und ihre Lebensgeschichte vor und entlocken Ganglbauer Lob: „Ich war wirklich sehr überrascht über die Qualität an Österreichern, die man im Ausland findet. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen witzig, aber ich habe schon Erfahrungen und Suchen hinter mir, wo ich immer eher so ‚Beisl-Leute‘ gefunden habe, wo es sprachfetzig hin und her geht und nichts wirklich Wesentliches dabei ist. So etwas interessiert mich nicht. Worum es mir bei der Community ging, war, dieses Österreichische zu erarbeiten, zu durchleuchten und ein bisschen zu schauen, was wir hier tun auf diesem Planeten, und warum wir aus diesem kleinen Land Österreich so weit weggehen und so verschiedene Lebenswege beschreiten.“

Ganglbauers Lebensweg begann in der Kunst: In der österreichischen Literaturszene ist er seit den 1980er Jahren bekannt: als Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift Perspektive (1982/83), Gründer und Verleger des Literaturverlag Gangan (1984), Herausgeber der ZeitSCHRIFT über Literatur (1987/88), Herausgeber von Textwechsel (Sonderzahl Verlag, gemeinsam mit Andreas Puff-Trojan in Wien 1992), Gründer und Herausgeber der zweisprachigen Zeitschrift Gangway (1996) sowie Gründer der Gangart Awards, Intercultural competition for the arts on the Net (2001).

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Gipfelstürmer Geralds erste Reise (mit ca. fünf nach Salzburg)

Sydney ist für Ganglbauer einzigartig, in vielerlei Hinsicht: „Es ist alles in einem: kosmopolitische Großstadt, urbanes Dorf, der schönste Hafen der Welt, Beach Culture inmitten der City, National Parks rundherum. Wo sonst hat man seinen eigenen Strand vor der Haustüre und so gut wie jede Küche der Welt zur Auswahl?“

In Sydney war Ganglbauer auch politisch als Bezirksvorsteher eines Stadtteils tätig und Initiator einer, nun vielleicht etwas ungewöhnlichen Bürgerinitiative: Sie setzte sich für FKK-Strände in New South Wales ein und war damit erfolgreich. Der Unterschied zwischen Grazern/Österreichern zu Australiern? „G’day mate, how is it going? Anfangs hatte ich den kulturellen Unterschied noch stärker gefühlt, ja sogar geschätzt. Die alte Welt schien mir viel umständlicher, bürokratischer, kühler, distanzierter, formeller zu sein als die neue, wo es keine halbe Stunde gedauert hat, bis ich meinen Verlag in New South Wales angemeldet habe, was mit dem Hürdenlauf in Graz bis zum Gewerbeschein so gar keinem Vergleich standgehalten hat.“

GG in Fiji, January 2007

… und hier hunderte Reisen später (mit ca. 50 auf die Fidschi Inseln)

„Heute blättert ein bisschen die Farbe ab vom kosmopolitischen Flair der Australier, weil ich die Feinheiten jetzt wahrnehmen kann, die anfangs in der Sprachbarriere hängen geblieben sind. Außerdem gibt es inzwischen einige Verbesserungen in der österreichischen Gesellschaft, sodass die subjektiven Unterschiede zueinander geringer werden. Die Welt wird halt doch immer mehr zu einem globalen Dorf.“

SEMMERING_SEPT 2010 (39)

Jedoch immer wieder auch zurück in die Steiermark (Semmering 2010)

Seit 2013 ist Ganglbauer wieder zurück in der Steiermark und lebt heute am Rande von Graz, in Stattegg-Ursprung. „Das Seltsame ist, dass man sich auch nach vielen Jahren einfach auskennt, im Blindflug durch die Stadt gehen kann und immer noch fast alles dort ist, wo’s einmal war. Bei Spaziergängen durch Andritz kommen Kindheitserinnerungen auf, viele Straßen und Adressen erinnern an frühere Freundinnen oder Erlebtes, das ich lange vergessen geglaubt habe. Man bewegt sich im Stadtplan wie durch seine eigene Geschichte. Aber es ist kein sentimentales oder romantisiertes Gefühl, sondern ein gutes. Und es ist ja nicht nur die Stadt selbst, die FKK Schwarzlteiche und die Buschenschanken an der Südsteirischen Weinstraße gehören für mich auch zum Heimaterlebnis dazu. Eine Brettljause mit ein paar weißen Spritzern unter einem Nussbaum hat schon was.“

Text: Marijana Miljkovic

Fotos: privat

Links:

Website von Gerald Ganglbauer: http://www.ganglbauer.info

Auslandsösterreicher-Plattform: austrians.org – Weltweit Freunde

Magazin Gangway

Verlag Gangan