Grazoutside

Video: Jan Marot

„Das Österreich-Heimatgefühl hat sich nicht einmal beim Fußball-Schauen eingestellt“, erzählt Jan Marot, der seit Ende 2006 in Granada in Südspanien lebt und dort als freier Journalist arbeitet. Heimat ist für den gebürtigen Grazer mittlerweile die in Andalusien gelegene Stadt.

Journalist, Kernölfan und Hundebesitzer

Wohnort: Granada, Spanien

Jan Marot mit Hund am Meer in Südspanien.

Jan Marot mit Hund am Meer in Südspanien.

Den Städtevergleich Graz-Granada fasst er so zusammen: „Es gibt total viele Parallelen und es gibt total viele Unterschiede. Es hat Jahre gedauert bis ich draufgekommen bin. Anfangs sind mir mehr die Unterschiede ins Auge gefallen.“ Als offener, herzlicher und weniger fremdenfeindlich habe sich ihm die Stadt Granada, in die er sich schon 1998 während eines Schüleraustauschs verliebt hat, präsentiert. „Man sieht auch mehr Kinder und mehr alte Menschen auf den Straßen (…) – und sie werden auch gern gesehen“,  resümiert er die positiven Aspekte der andalusischen Stadt.

Andalusische Jause

Andalusische Jause

Dabei scheinen sich Graz und Granada, zumindest topographisch bzw. demographisch gesehen, gar nicht so unähnlich zu sein: „Granada hat auch seinen Schlossberg, eben mit einer maurischen Festung drauf [die Alhambra, Anm.]; liegt auch ein wenig in einem Kessel, wenn auch die Berge im direkten Umfeld ein biss’l höher sind; Einwohnerzahl ist auch ziemlich ident. Und dazu kommt noch, dass es heißt, dass die granadinische Bevölkerung ein bisschen die grantigere ist unter den Andalusiern – die, die sich gern einmal ein bisschen beschweren, ein bisschen nörgeln, ein bisschen aufregen – jetzt nicht bösartig, das machen die Grazer ja auch nicht. Es ist eher eine liebenswerte Eigenart.“

Der "Schlossberg" von Granada - die Alhambra

Der „Schlossberg“ von Granada – die Alhambra

Was könnte Granada von Graz lernen? Dabei denkt Jan vor allem an Infrastrukturen, wie öffentliche Verkehrsmittel und Fluganbindungen, aber auch an das Kulturprogramm: „Es gibt zwar gutes Theater und auch Sommertheater, aber es fehlt eine Oper, ein Schauspielhaus (…) und die Clublandschaft. (…) Da gibt es in Graz schon mehr Angebote.“

Trotz Problemen zeigen die Spanier Solidarität - das könnten sich die Grazer abschauen, meint Jan Marot.

Trotz Problemen zeigen die Spanier Solidarität – das könnten sich die Grazer abschauen, meint Jan Marot.

Umgekehrt, glaubt er, könnten sich die Grazerinnen und Grazer vor allem soziale Werte von den Granadinern abschauen: „Familiärer Zusammenhalt und die Solidarität im nachbarschaftlichen Umfeld bis hin zum Bezirksumfeld – dass man einander hilft, dass man für einander da ist. Da geht’s jetzt nicht um ein Packung Mehl oder eine kleine Geldspende (…), sondern darum miteinander zu arbeiten, anstatt gegeneinander zu arbeiten.“ Darin sieht Jan auch den Grund, warum die spanische Gesellschaft trotz wirtschaftlicher Probleme und sozialer Unruhen noch relativ stabil ist. Vorstellen kann er sich einen Umzug momentan nur in einen anderen Ort auf der iberischen Halbinsel.

Beim Wählen - und auch beim Keksebacken - ist Jan Marot gerne Österreicher

Beim Wählen – und auch beim Keksebacken – ist Jan Marot gerne Österreicher

Trotz mangelnden „Heimatgefühls“ ist Jan Graz bzw. Österreich über „Familie, Freunde, Arbeitgeber, Nachrichtenkonsum und Wahlrecht“ nach wie vor „sehr verbunden“, weshalb er auch seine Staatsbürgerschaft behalten will. „Da bin ich gerne Österreicher,“ lacht er.

Interview: Stephan Bergmann, Fotos: Jan Marot