Grazoutside

Wenn’s Granada spielt

Seit einem Schüleraustausch anno 1998 zog es Jan Marot (*1981) nach Andalusien. Mit dem Abschluss des Publizistikstudiums Ende 2006 blieb er dann einfach einmal dort.

Irgendwann blieb er dann dort: Jan Marot mit Hund am Meer in Südspanien.

Irgendwann blieb er dann dort: Jan Marot mit Hund am Meer in Südspanien.

Auch in der südspanischen Kleinstadt gibt es einen „Schlossberg“. Wenngleich hier die maurische Festung Alhambra, „die Rote“ darauf thront. Der Fluss Genil kann der Mur zwar nicht das Wasser reichen, dafür ist die umliegende Sierra Nevada weit höher als Schöckel, Koralm oder etwa der Präbichl. Pulverschnee hat’s dafür seltener. Alles hat nun mal zwei Seiten, Vor- und Nachteile.

Der "Schlossberg" von Granada - die Alhambra

Der „Schlossberg“ von Granada – die Alhambra

Doch sind es auch viele Parallelen, die zwischen Graz und meiner Wahlheimat Granada, wo ich seit Ende 2006 als Auslandsjournalist arbeite und lebe, existieren. Nicht nur die Flughafencodes, GRZ und GRX ähneln sich. Vielleicht ist darum Heimweh auch noch kein Thema geworden. Sage ich doch stets, ebendas Gefühl, das kenne ich nicht. Und wenn überhaupt, dann zog und zieht es mich stets nach Granada. Wegen der Menschen, der Lebensart, der Themenvielfalt, die Iberien und der hier sehr nahe Maghreb zum Schreiben bietet. Und weniger, wenn auch, das Klima. Die Winter, zwar kurz, doch Jänner und Februar sind hier hart. Zentralheizung oder dreischichtige Fenster sind meist ein Fremdwort, Isolierung zweiterer sowieso.

Granada im Winter

Granada im Winter

Ehrlich gesagt, mir war nirgends, nicht einmal im Februar in Finnland oder im Jänner in den US-amerikanischen Rocky Mountains so kalt, wie in granadinischen Nächten. Und das wohlgemerkt zu Hause, bei maximal Minus sieben Grad. Oder während einer Woche Dauerregen bei knapp acht Grad Plus im März. Von den Hitzewellen bei über 45 Grad im Schatten ganz zu Schweigen. Dafür sind Frühjahr und Herbst, und der oft bis in den Dezember hinein, meist traumhaft – und ich ertappe mich schon manchmal mit etwas Schadenfreude, wenn ich auf der Europa-Wetterkarte, online oder im TV, auf Österreich blicke.

Beim Wählen - und auch beim Keksebacken ist Jan Marot gerne Österreicher

Wenn Jan österreichische Mehlspeisen vermisst, bäckt er einfach selber welche.

Wo immer man auch ist, etwas fehlt doch immer, oder? In Granada natürlich auch. Abseits mir wichtiger Menschen, FreundInnen und Familie, ist es das Kernöl, klarerweise. Vorräte sind immer schnell erschöpft. Der Zwetschkenfleck von der Großmutter. Einmal wieder in eine Nusskrone beißen, oder in ein frisches, flaumiges Mohnweckerl. Das Bauernbrot vom Kaiser-Franz-Josef-Markt, eine Haussulz, denn der hiesige „Queso de Cerdo“ (dt. Schweinekäse) ist keine Konkurrenz und: Die Halbe vom obersteirischen Gerstensaft im „Parkhouse“ – auch wenn das granadinische Alhambra-Gebräu für Getränke abseits des Reinheitsgebots ganz passabel schmeckt. Zudem wird hier stets eine kleine Speise, die Tapa, und das gratis dazu kredenzt. Seien es frittierte Sardinen, oder eingelegte auf Kartoffelchips, der auch hier „russische“ Mayonnaisesalat, die typisch-spanische Kartoffeltortilla. Aber längst auch Experimentelles, aus der Haute Cuisine fand seinen Eingang – wie ein Mini-Hamburger aus gehacktem Ibérico-Schweinsfillet mit Sherry-Sauce.

Andalusische Jause

Andalusische Jause

Aber in Summe, nichts was nicht bei einem der – viel zu wenigen – Graz-Abstecher, meist über die andalusischen Hitzemonate Juli, August gelegt, ordentlich ausgekostet wird. Und kulinarisch halte ich den Winter – der auch in Granada zwei, drei Monate so richtig garstig sein kann – auch stets deftig, mit steirischer Hausmannskost. Pfandl aller Art, Zwiebelrostbraten, Gulasch mit Semmelknödel, Tafelspitz (der Kren kommt meist per Post), Krautstrudel. Das muss sein.

 

Und wenn man mich oft fragt, wie ich denn meine Identität nach all den Jahren mit engem Spanien-Bezug sehe? Denn immerhin war ich 1998 im Zuge eines Schüleraustausches erstmals zur Osterwoche hier, und dann jede freie Urlaubsminute, die mir über das Matura-Jahr, die Zivildienst- und Studienzeit blieb wieder, und wieder und wieder, dann sage ich: Zu allererst bin ich Europäer, dann Granadiner, aber Steirer, und vor allem Grazer bleibe ich auch. Natürlich. Denn ein Stückchen von meinem Herzen bleibt immer dort. Gehört für immer Graz. Das hat sich meine Heimatstadt absolut verdient. Aber ob mich das je dazu bewegt zurückzukehren? Das glaube ich nicht. Noch nicht.

Autorenportraet_jam_2012_F_privat_neuText und Fotos: Jan Marot

Jan Marot, geboren 1981 in Graz, lebt seit Ende 2006 im südspanischen Granada und arbeitet als Auslandskorrespondent für deutschsprachige Tages- und Wochenzeitungen, sowie Magazine und Webseiten zu Iberien und den Staaten de Maghreb.

Mehr über Jan im Video auf grazoutside.net