Grazoutside

Video: Dorothea Burge

Der Liebe wegen wanderte Dorothea Burge in den späten 1960er Jahren in die Vereinigten Staaten aus. Ihren Ehemann, Tyler Burge, lernte die 1947 als drittes von sechs Kindern in Graz geborene Psychologin als 18jährige Austauschschülerin in Atlanta kennen. Tyler war der Sohn jener amerikanischen Familie, die Dorothea als Gasteltern aufgenommen hatten.

Dorothea 1965 mit ihrem damals zukünftigen Ehemann

Dorothea 1965 mit ihrem damals zukünftigen Ehemann

Nach ihrem ersten, einjährigen Ausflug über den großen Teich kam Dorothea, genannt Dorli, 1966 zurück nach Graz. Doch die Sehnsucht war groß. Tyler kam nach Österreich, wo Dorothea in Graz das Studium der deutschen und englischen Literatur mit dem Berufswunsch Lehrerin begonnen hatte. Im August 1968 wurde geheiratet und das junge Paar ging gemeinsam nach Amerika. Während ihr Ehemann in Princeton – damals noch eine reine Männeruniversität – sein Doktorat der Philosophie verfolgte,  studierte Dorothea am Douglass College der Rutgers University weiter Deutsch und Englisch.

Dorotheas und Tylers Hochzeit, 1968

Dorotheas und Tylers Hochzeit, 1968

Als „unheimlich große Umstellung“, beschreibt Dorothea den Sprung von Graz in die Vereinigten Staaten – und das nicht nur weil das junge Studentenpaar, aus der elterlichen Obhut entlassen, in einfachen Verhältnissen leben musste und nur wenig Geld zu Verfügung hatte. Die junge Frau hob sich unfreiwillig von ihrem Umfeld ab und kam sich in der neuen Umgebung bisweilen auch fremd vor.

Dorothea 1955 - noch ganz Österreicherin

Dorothea 1955 – noch ganz Österreicherin

„Auf der Uni hat man mich immer so angeschaut. Später hat man mir gesagt, dass man über mich als die ‚elegante Österreicherin’ gesprochen hat. Weil um diese Zeit – 1968 – da waren die Hippies überall und da habe ich gar nicht dazu gepasst, weil ich relativ elegant angezogen war, so wie ich das gewohnt war, von Graz.“

1971 zogen die Burges nach Los Angeles, wo Tyler eine Stelle als Philosophie Professor an der renommierten Hochschule der UCLA bekommen hatte. Dorothea selbst absolvierte dort nach dem Masterstudium der Pädagogik das Doktorat in Psychologie.

In ihrer Tätigkeit als klinische Psychologin ist Dorothea auch mit Reaktionen auf ihr Herkunftsland konfrontiert, die sie belasten. „Ich habe sehr viele jüdische Klienten mit denen ich oft von vorne heraus darüber reden muss, dass ich aus Österreich bin, weil sie meinen Akzent hören und manche fürchten sich davor“, erzählt sie. Die Assoziationen mit dem dritten Reich halten sich über Generationen, auch im Unterbewusstsein, erklärt Dorothea. „Da ist man sehr bedrückt. Man muss als Österreicherin ganz offen darüber sprechen.“ Wichtig ist ihr der Kontakt mit anderen „Einwanderern“, so zum Beispiel einer Frau aus Ghana, mit der sie gearbeitet hat. Diese Solidarität beschreibt sie als Gefühl des besser Verstanden-Werdens.

 

 

 

 

Dorothea mit ihrer Familie

Dorothea mit ihrer Familie

Durch Dorotheas Leben ziehen sich viele Träume, die verwirklicht, aber auch durch neue ersetzt wurden – so zum Beispiel der Berufswunsch Lehrerin, der letztlich jenem der Psychologin weichen musste. Der jüngste Traum der Mutter von zwei Söhnen, Johannes und Daniel, ist es in einem Chor zu singen, „und das tue ich auch“, erzählt sie. In einem Gemeindechor, dem auch andere deutschsprachige Menschen angehören, singt Dorothea Mozart, Haydn und Beethoven – und erhält so nicht zuletzt durch die Musik ihre Beziehung zu Österreich aufrecht.

Interview: Stephan Bergmann, Fotos: privat