Grazoutside

Botschafter einer Städtepartnerschaft

Wie eindrucksvoll und bereichernd eine gelebte Städtefreundschaft sein kann erfährt „GrazOutside“ vom Grazer Sebastian Swoboda.

Montclair im Bundesstaat New Jersey ist die älteste und zugleich die geographisch am weitesten entfernt gelegene Partnerstadt von Graz. Im Mittelpunkt dieser Städtepartnerschaft – die heuer ihr 65-jähriges Bestehen feiert – steht ein beiderseitiges Studienaustauschprogramm, bei dem jedes Jahr zwei Studierende ein Studienjahr in der jeweils anderen Partnerstadt verbringen dürfen. Für den reibungslosen Ablauf dieses Austauschprogramms sorgt der Verein „Nachbarn in Übersee (Overseas Neighbors)“. So verbringen Stefanie Nöst, die das Studium Klavier und Instrumentalpädagogik an der Kunstuniversität Graz absolviert, und der Grazer BWL-Student Sebastian Swoboda das Studienjahr 2014/15 an der Montclair State University.

Nähere Informationen zum
Stipendium an der Montclair State University

 

Wie er das Studieren in Amerika erlebt und wie ihm der „American Way of Life“ gefällt erzählt der „Nachbarn in Übersee“-Stipendiat Sebastian Swoboda „GrazOutside“ im Interview.

Die beiden "Nachbarn in Übersee"-Stipendiaten Sebastian Swoboda und Stefanie Nöst (rechts im Bild) sowie Antje Wozonig, die ebenfalls aus Graz stammt und durch ein anderes Austauschprogramm in Montclair studiert. © Sebastian Swoboda

Die beiden „Nachbarn in Übersee“-Stipendiaten Sebastian Swoboda und Stefanie Nöst (rechts im Bild) sowie Antje Wozonig, die ebenfalls aus Graz stammt und durch ein anderes Austauschprogramm in Montclair studiert. © Sebastian Swoboda

Wie ist es, in Amerika zu studieren – im Vergleich zu Graz?
Sebastian Swoboda: Mit zwei Worten: ganz anders. Die Kurse unterscheiden sich zu unseren daheim komplett, denn während bei einer BWL-Vorlesung in Graz zum Teil Hunderte auf den Stufen hocken, haben wir hier zwischen 15 und 25 Studenten in einer Klasse. Das hat viele Vorteile: So ist etwa der kollegiale Umgang mit den Professoren sicher darauf zurückzuführen, dass die Gruppen so klein sind. Man profitiert stark davon, wenn man das zu nützen weiß. Professoren haben dadurch, dass die Studenten sehr hohe Studiengebühren zahlen, einen ganz anderen Druck, den Studenten zu helfen. Der zum Teil sehr praxisnahe Zugang zur Betriebswirtschaftslehre, den wir durch Lektoren bekommen, die bei Betrieben arbeiten und ein paar Stunden nebenher unterrichten, ist auch sehr lehrreich und anders als in Österreich.

Welche Tipps können Sie StudentInnen geben, die die Absicht haben, demnächst auch in Amerika zu studieren?
Swoboda: Ganz wichtig ist es, sich die Anrechnungsmöglichkeit für die gewählten Kurse vorab bestätigen zu lassen, sonst kann man das Auslandsjahr vergessen, was den Studienerfolg betrifft. Ich habe das beherzigt und bekomme deswegen auch jedes einzelne Fach angerechnet, das ich hier besuche.
Ein weiterer Tipp, den ich geben kann: Dass man die Zeit von Beginn an voll nützen sollte, die Möglichkeiten zu erkennen, die man durch New York City bekommt. In New York gibt es einfach alles, egal, um welche Fachrichtung es geht. Weiß man von all diesen Chancen, kann man sich das genau herauspicken, was einen interessiert. Viele Studenten tun das hier oft nicht, und das ist ewig schade, denn eine Möglichkeit wie diese bekommt man nicht zweimal. Ich war bisher 62 Mal in New York.
Ein dritter Tipp: Offen zu sein für andere Einstellungen, Meinungen, Kulturen und Lebensweisen. So wird man hier nicht nur eine tolle Zeit erleben, sondern auch persönlich bereichert zurückkommen.

Gemeinsames Essen mit internationalen Freunden. © Sebastian Swoboda

Gemeinsames Essen mit internationalen Freunden. © Sebastian Swoboda

Montclair ist nur ca. 20km von New York entfernt. Welche Eindrücke haben Sie von dieser Weltstadt?
Swoboda: New York City ist bekanntlich nicht die Hauptstadt der USA. Wenn New York City eine Hauptstadt wäre, dann wäre sie aber wohl jene der Welt. Dort ist wirklich jede Kultur, Abstammung, Sprache, Glaubensrichtung etc. anzutreffen, die Metropole ist ein Schmelztiegel par excellence. Die Stadt hat mehr Einwohner als Österreich und besitzt so viele Seiten, dass man sie kaum aufzuzählen vermag. Die Stadtteile sind enorm unterschiedlich, und man sollte in jedem gewesen sein, um sagen zu können, was New York City ist. Hier wird es für mich schwer, denn wenn ich jetzt anfangen würde, würde es den Rahmen des Interviews sprengen. Kurz gesagt: New York City hat unglaublich viele Facetten.

Haben Sie in Amerika Kontakt zu anderen AuslandsgrazerInnen / AuslandssteirerInnen?
Swoboda: Ja, das habe ich. Neben den amerikanischen und internationalen Freunden, die ich am Campus gewonnen habe, ist es auch immer wieder einmal schön, mitten im Central Park mit Landsleuten im Dialekt über die steirische Landespolitik zu diskutieren, über das hier leider nicht erhältliche Schwarzbrot daheim zu schwärmen oder einfach über Gott und die Welt zu reden. Abgesehen davon, kann man im Café Katja, das von einem Ligister geführt wird, auch österreichische und vor allem steirische Hausmannskost bekommen und zu später Stunde ein wenig tanzen. Zu STS zum Beispiel: „I wüll wieder ham…!“ Aber noch nicht gleich;) Das Österreichische Generalkonsulat organisiert auch sehr spannende Veranstaltungen, bei denen man hier lebende Auslandsösterreicher und Auslandssteirer treffen kann. Außerdem hat sich mit Stefanie Nöst, die ja ebenfalls hier „Nachbarn in Übersee“-Stipendiatin ist, eine tolle Freundschaft entwickelt.

Was schätzen Sie besonders an Graz?
Swoboda: Die Ruhe, die Gemütlichkeit, das leicht italienische Flair und die Kultur. Und natürlich auch, dass ein Großteil meiner Familie und meiner Freunde dort lebt. Die Altstadt mit ihren alten Gebäuden, das Café Orange mit seinen guten Mittagsmenüs, das Schwalbennest, das so guten Kaffee hat. Außerdem mag ich das Univiertel sehr, das wir Studenten wochentags und wochenends sehr gerne frequentieren.

Gibt es für Sie einen Lieblingsplatz in der steirischen Landeshauptstadt und in New York?
Swoboda: Ich möchte in beiden Städten zwei nennen: Der Schlossberg und der Burggarten in Graz sind für mich persönlich wunderschöne, ruhige Orte, an denen ich gerne Zeit verbringe. In New York ist für mich definitiv der Central Park ein solcher Ort und auch die Highline, eine ehemalige Hochbahn, die schon lange eingestellt wurde und nun als Park angelegt und für jedermann offen ist.

Im Gespräch mit Außenminister Sebastian Kurz am 26. September 2014 in den USA. © Sebastian Swoboda

Im Gespräch mit Außenminister Sebastian Kurz am 26. September 2014 in den USA. © Sebastian Swoboda

Was bedeutet für Sie der Begriff „Heimat“?
Swoboda: Mit dem Begriff Heimat verbinde ich definitiv viele Dinge, auch jene, die über Graz hinausgehen. Ich verstehe Heimat als einen Ort, an dem ich das Gefühl habe, sicher zu sein, wo ich mich auskenne, Freunde oder Familie habe und auch ein Verständnis für die Kultur. Ich komme zwar aus Graz und bezeichne Graz und Österreich als meine „starke“ Heimat, aber ich zähle mittlerweile auch Montclair und New York zu meiner Heimat, denn ich habe hier gelebt und ich bin mit diesen Städten und den USA, mit ihren vielen Stärken und auch ihren vielen Schwächen, sehr warm geworden. Außerdem habe ich hier viele neue Freunde gewonnen.

Thanksgiving bei Juliana Belcsak, Präsidentin von "Overseas Neighbors". © Sebastian Swoboda

Thanksgiving bei Juliana Belcsak, Präsidentin von „Overseas Neighbors“. © Sebastian Swoboda

Möchten Sie noch etwas sagen?
Swoboda: Ich möchte mich vielmals für das Stipendium bedanken, das für mich ein Türöffner in die Neue Welt, in eine neue Welt war. Und ich will dabei auch in Erinnerung rufen, wie es zu dieser Städtepartnerschaft zwischen Graz und Montclair kam: Als Teil des Marshall-Plans unter Präsident Eisenhower nach dem Zweiten Weltkrieg geplant, hält diese Partnerschaft seit damals zwei westliche Welten zusammen und verbindet anstatt zu trennen, was in Zeiten wie diesen so ungemein wichtig ist. Persönlich möchte ich mich besonders bei Juliana Belcsak bedanken, die uns beiden Montclair-Austauschstudenten in dem Jahr immer zur Seite gestanden ist, wenn wir Hilfe gebraucht haben, aber uns auch zum typischen amerikanischen Thanksgiving, Weihnachten und Eastern eingeladen hat – unvergessliche Stunden. Außerdem möchte ich mich bei Maxie Uray-Frick in Graz sowie Dominika Stiger und Eva Pfeffer für die hilfreichen Vorbereitungen vor dem Auslandsaufenthalt bedanken, ohne sie wäre alles viel komplizierter geworden. Zu allerletzt, aber umso mehr danke ich auch meiner Familie, die mir das Auslandsjahr genauso ermöglicht und mich bei diesem wunderbaren „Abenteuer“ unterstützt hat.