Grazoutside

Technik meets Design

Was eine Power-Frau alles vereinbaren kann zeigt Cornelia Kawann sehr eindrucksvoll: Die promovierte Elektrotechnikerin lebt mit ihrer Familie in Zürich, hat in Bern bei der eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom die Leitung der Sektion Marktüberwachung inne und ist im Team, das mit der EU über die zukünftige Zusammenarbeit im Strombereich verhandelt. Nebenbei designt sie auch noch sehr erfolgreich Taschen.

 

Cornelia Kawann, © Amanda Nikolic

Cornelia Kawann, © Amanda Nikolic

 

Sie haben an der Technischen Universität Graz im Fachbereich Elektrotechnik studiert und promoviert. Wie sind Sie zu dieser für Frauen doch eher unüblichen Studienrichtung gekommen?

Cornelia Kawann: Das ist eine sehr gute Frage, denn eigentlich habe ich davor die höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe (die damalige „Knödelakademie“) in Deutschlandsberg besucht. Hier war der Fokus eher auf Hotel- und Gastgewerbe und einer kaufmännischen Ausbildung aber auch auf einer sehr guten Allgemeinbildung. Nach meinem mehrmonatigen Praktikum in einem Hotel, bei dem ich sehr viel für mich gelernt habe, kam ich zu dem Schluss, dass das Gastgewerbe nichts für mich ist. Daraufhin habe ich mich entschlossen, fächerübergreifend in Physik, Mathematik und Geografie zu maturieren. Als ich dann als Maturafrage das Thema „Elektrizität“ erhielt, wusste ich, das ist es!

Da bereits mein Vater in der Energiewirtschaft tätig gewesen ist, war mir das Thema Energie vertraut. Ich muss aber doch erwähnen, dass ich bei meiner ersten Vorlesung an der TU dann einen kleinen Schock erlitten habe. Nach dem Besuch einer (damaligen) Mädchenschule war ich schon sehr überrascht, als in der Vorlesung 200 Männer und nur 3 Frauen saßen. Zum Glück hat sich das heute geändert, aber der Anteil von Frauen in technischen Studien ist immer noch sehr gering.

 

Cornelia Kawann (Hg.), Energie im Wandel. Frauen gestalten die Schweizer Energiezukunft. © KK

Cornelia Kawann (Hg.), Energie im Wandel. Frauen gestalten die Schweizer Energiezukunft. © KK

 

In Ihrem 2014 erschienenen Buch „Energie im Wandel“ lassen Sie explizit Frauen zu Wort kommen, die in der von Männern dominierten Energieversorgungsbranche tätig sind. Haben Sie persönlich das Gefühl, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Frauen in männerdominierten Branchen behaupten konnten und dass dieser Trend auch in Zukunft anhalten wird?

Kawann: Wie Sie richtig feststellen, ist die Energiewirtschaft noch immer eine Männerdomäne. Die Energiewende erfordert mit ihrer wachsenden Komplexität jedoch zunehmend die Diversität verschiedener Kompetenzen und Sichtweisen. Diese Diversität gewinnt derzeit an Fahrt und belebt die Branche: Immer mehr Frauen steigen neu in die Energiewirtschaft ein oder belegen dort sogar Spitzenpositionen. Es war daher nur eine Frage der Zeit, der Vielfalt und Ganzheitlichkeit zuliebe einmal die Power-Frauen zu Wort kommen zu lassen.

Das Buch „Energie im Wandel – Frauen gestalten die Schweizer Energiezukunft“ beleuchtet dieses sehr aktuelle Thema aus verschiedenen Perspektiven. Sei es aus der Sicht des Regulators, eines NGOs, eines großen Energiekonzerns, der Schweizer Bundesbahn, der Migros oder der Gasindustrie – 29 Autorinnen haben ihre Sichtweise dieser Neuausrichtung einer gesamten Branche dargelegt. Herausgekommen ist kein Buch für die „Frauenecke“, sondern ein ansprechendes und einfach lesbares Fachbuch rund um Themen der Energiewende. Dabei wird pro verkauftem Exemplar 1 EUR für die Frauen- und Brustkrebshilfe in Graz gespendet.

Das Buch soll vor allem junge Frauen motivieren und ermutigen, diesen vielleicht für sie nur schwer vorstellbaren und ungewöhnlichen Weg zu gehen. Es soll ihnen zeigen, dass die Aufgabe, die Energiewirtschaft aktiv mitzugestalten ein vielfältiges, spannendes und darüber hinaus gesellschaftlich so bedeutendes und drängendes Betätigungsfeld darstellt.

Mit dem Buch war mir auch wichtig aufzuzeigen, dass sich betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau schon sehr viel getan hat, aber noch immer einiges zu tun ist. Ich bin nach wie vor sehr dankbar, dass sich 1897 Gabriele Possaner dafür eingesetzt hat, dass sie als erste Frau in Österreich im Fach Medizin in Wien promovieren konnte, denn wenn sie das damals nicht gemacht hätte, wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin.

 

Sie leben mit Ihrer Familie in Zürich und sind in Bern bei der eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom als Leiterin der Sektion Marktüberwachung tätig. Wie schaffen Sie es, Familie und Beruf zu vereinbaren?

Kawann: Das ist in der Tat eine große Herausforderung und wäre ohne die partnerschaftliche Unterstützung meines Mannes und einem flexiblen Arbeitszeitenmodell nicht möglich. Im Gegensatz zu Österreich gibt es in der Schweiz keine Karenz und es wird erwartet, dass die Frau nach 14 Wochen Mutterschutz wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt oder andernfalls bei der Familie zu Hause bleibt. Im Gegensatz zu Österreich ist es aber in der Schweiz möglich, dass man bei vielen Dienstgebern zwischen einem Beschäftigungsgrad von 100/80/60/40% wählen kann. Diese Staffelung ermöglicht Arbeitnehmerinnen, auch mit einem 80% Beschäftigungsgrad eine Stelle im Management zu übernehmen, was durchaus nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern in Anspruch genommen wird. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen ist heutzutage für viele eine ziemliche Herausforderung, die nur mit großem organisatorischen Aufwand und einer partnerschaftlichen Beziehung möglich ist. In der Schweiz wird aber trotz all dieser Entwicklungen das traditionelle Rollenmodell favorisiert.

 

Was schätzen Sie besonders an Ihrem Leben in der Schweiz im Vergleich zu Österreich?

Kawann: Ich fühle mich nach wie vor Österreich sehr verbunden, nicht nur aufgrund meiner Familie und meiner vielen langjährigen FreundInnen. Ich bin mir aber durchaus bewusst, dass das Leben in der Schweiz mit sehr vielen Annehmlichkeiten verbunden ist. Dies hat sich vor allem seit der Finanzkrise gezeigt. Natürlich ist die Schweiz auch davon betroffen, aber doch in geringerem Ausmaß als viele Länder in der EU.

Besonders gut an Zürich gefällt mir der See, der vor allem im Sommer der „Hot Spot“ ist. Man picknickt, grillt, flaniert oder springt zur Abkühlung in den See – wann immer möglich genießen die Zürcher „ihren“ See. Aufgrund der Historie als Zentrum der Bankenwelt ist Zürich natürlich auch sehr international. Aber auch aufgrund der 4 verschiedenen Landesprachen hat die Schweiz einen besonderen Status. Bei uns im Büro spricht jeder Mitarbeitende in „seiner“ Landessprache. So spricht eine in Deutsch und der andere antwortet in Französisch. Dieses akzeptierte Nebeneinander schätze ich sehr.

 

Haben Sie Kontakt zu AuslandsgrazerInnen / AuslandssteirerInnen in der Schweiz? Und falls ja, gibt es einen aktiven Austausch bzw. regelmäßige Treffen?

Kawann: Natürlich gibt es eine eigene „Österreich Community“ in der Schweiz. Die meisten ÖsterreicherInnen habe ich aber eher durch Zufall kennengelernt und daraus haben sich schöne Freundschaften entwickelt. Als Absolventin eines MBA Programms der Wirtschaftsuniversität Wien nehme ich auch regelmäßig an deren Alumnitreffen in Zürich teil. Besonders schön finde ich die Feier des österreichischen Nationalfeiertags am 26. Oktober in der Schweiz. Ich gehe an diesem Tag immer im Dirndl ins Büro (was jedesmal für großes Aufsehen sorgt) und danach treffen sich ÖsterreicherInnen in einem von einem Österreicher geführten Lokal zu Wienerschnitzel mit Kartoffelsalat und Apfelstrudel. Da kommen alle immer in Tracht und es ist immer sehr lustig.

 

Gibt es einen Lieblingsplatz in der steirischen Landeshauptstadt, an den Sie immer wieder gerne zurückkehren?

Kawann: Für mich ist es sehr schwer, in Graz einen einzigen Lieblingsplatz zu nennen. Es gibt zu viele schöne Orte und ganz viele besondere Plätze mit wunderbaren Erinnerungen für mich. Ein ganz besonderes Gefühl überkommt mich immer, wenn ich durch die wunderschöne Herrengasse gehe. Dabei darf man sich nicht von den vielen Geschäften ablenken lassen (obwohl das natürlich auch dazu gehört), aber vor allem die Fassaden sind einfach traumhaft schön. Besonders das „Gemalte Haus“ ist sehr beeindruckend und das absolute Highlight für mich.

Am Ende der Herrengasse gibt es dann für mich den wichtigsten Punkt – nämlich die Weikard Uhr. Das war während meiner Studienzeit, als kaum jemand ein Handy hatte, DER Treffpunkt. Man verabredete sich an der Weikard Uhr, um dann dort zu entscheiden, in welches Lokal man ging, sei es zum Franziskanerplatz, zum Freiheitsplatz oder doch der Tummelplatz mit seinem Bermudadreieck? Gar nicht immer so einfach, sich zu entscheiden.

Meine Lieblingslokale waren definitiv das Café Philipp und der Schillerhof. Dort wurde von der „Elektrotechnik-Clique“ aufgrund der Nähe zu den Inffeldgründen so manche Pause zwischen den Vorlesungen verbracht, diskutiert, gelacht oder bestandene Prüfungen gefeiert.

 

Cornelia Kawanns neueste Taschenkreation - die Rail Bag, © Peter Fischer

Cornelia Kawanns neueste Taschenkreation – die Rail Bag, © Peter Fischer

 

Sie entwerfen auch Handtaschen unter dem Label „CO KA Carry-On Kreativ-Art“ (www.co-ka.com). Wann und wo haben Sie Ihre kreative Seite entdeckt?

Kawann: Als Ausgleich zu meiner technischen Tätigkeit begann ich im Jahr 2000 zu malen. In meinen Bildern versuchte ich das Spannungsfeld zwischen Technik und Kunst zu verarbeiten. Dabei hatte ich auch die Möglichkeit, meine Bilder in einigen Ausstellungen zu präsentieren. In dieser Zeit war ich auch auf der Suche nach einer 5-eckigen Handtasche in einem ganz speziellen violetten Farbton. Da so ein Modell nicht auffindbar war, beschloss ich mir meine Traumtasche selbst zu nähen und in der gewünschten Farbe zu bemalen. Dabei haben mir auch meine Nähkenntnisse aus der Zeit in der „Knödelakademie“ sehr gute Dienste geleistet. Die erste „Art-Bag“ war geboren und fand allgemeinen Anklang. Deshalb gründete ich 2011 das Label CO KA – Carry-On Kreativ-Art. Hinter den Art-Bags steht die Idee, Kunst und Fashion miteinander zu verschmelzen. Die speziellen Kreationen, die dabei entstehen, sind einmalige und individuelle Kunstwerke zum Tragen – und das ist auch die Idee dahinter: Kunst mitnehmbar und tragbar zu machen!

Dafür, dass ich die Art-Bags eigentlich nur nebenbei mache, läuft es sehr gut und ich hatte schon die Möglichkeit, die Art-Bags u.a. bei den Fashion Weeks in New York, Berlin und Wien zu präsentieren. Gerade eben habe ich eine neue „up-cycling“ Taschen-Kollektion aus Sitzen der Schweizer Bundesbahnen entworfen. Die ersten „Rail-Bags“ sind schon im Umlauf und sehen wirklich cool aus. Und jetzt habe ich auch schon ein paar Ideen für eine „Graz-Bag“!